Wie ein guter Überfall
Was eine Strangsanierung bedeutet, wissen nur diejenigen Mieter, die so etwas schon einmal miterlebt haben. Handwerkerfirmen ziehen neue Versorgungsleitungen für Wasser, Abwasser und elektrische Versorgung in die Wohnungen ein. Vornehmlich Bad und Küche werden in dieser Zeit der Privatsphäre der Mieter entrissen. Ungleich höher ist die Belastung, wenn zu der Strangsanierung auch noch ein kompletter Austausch der Heizungsanlage kommt. Was das bedeutet, konnten die Mieterinnen und Mieter der Berliner Straße 148 bis 152 in den letzten Wochen erleben.
Eine Kolonne von Baufahrzeugen hat die Aufgänge des WOBAG-Gebäudes in der Berliner Straße 148 bis 152 regelrecht eingekreist. Wären es Polizeifahrzeuge, würde es aussehen wie ein Großeinsatz. Doch die Transporter der Sanitär-, Heizungs- und Elektrofirmen, die hier wie an einer Perlenschnur aneinander aufgereiht stehen, sind weiß. Wie bei einem Einsatzkommando ist es aber dennoch, aber auf gute Weise, so berichten die Mieterinnen und Mieter dieses Hauses, was sie in den letzten Wochen miterlebt haben. Sie waren ständig von den fleißigen Handwerkern der WOBAG und den unterstützenden Fachfirmen umgeben. Auch sie wollten die Arbeiten so schnell wie möglich voranbringen. Zimmer für Zimmer arbeiteten sich die Sanitär-, Heizungs- und Elektroexperten in den Wohnungen ab. Heizkörper und Elektroleitungen wurden rausgerissen. Versorgungsleitungen für Wasser und Abwasser zogen die Handwerker aus den Wänden und Schächten, sie bohrten Löcher in die Wände, zogen neue Leitungen ein, schraubten neue Heizkörper an, isolierten Leitungen, verputzten Wände, fliesten Bäder, sie hämmerten, schraubten, ihre Trennjäger kreischten und schlugen Funken. In den Hausfluren zogen sie Elektroleitungen und befestigten provisorische Steckdosen an den Handläufen der Treppenaufgänge. Treppauf, treppab wuselten die Handwerker, die Wohnungstüren standen offen, um schnell wieder am Arbeitsort sein zu können. Auf den Fußböden in den Wohnungen lagen Schutzmatten, ein Versuch, den Baustellendreck in Schach zu halten.
Und das alles im vermieteten Zustand. Die Mieter müssen während der Bauarbeiten nicht ausziehen. Yvonne Schenk sitzt in ihrem Wohnzimmer auf ihrer mit Folien abgedeckten Couch und sieht den Heizungsmonteuren bei der Arbeit zu, die gerade dabei sind, einen neuen Heizkörper an der Wand zum Balkon zu montieren. „Ach, das Gewusel stört mich nicht, ist ja auch mal eine Abwechslung“, sagt die Seniorin. „Ich grusele mich nur vor der Reinigung hinterher.“ Die betagte Frau ist körperlich nicht mehr fit, sie hat eine Pflegestufe und darf nicht mehr schwer heben. „Ich werde mir eine Reinigungsfirma nehmen und hoffe, dass die WOBAG die Kosten übernimmt“, sagt sie zu Thomas Büsching, der gerade in der Tür steht. Thomas Büsching von der WOBAG ist so etwas wie der Bauleiter hier. „Wir werden Sie mit dem Problem nicht alleinlassen“, verspricht er Yvonne Schenk.
„Das ist schon krass, was wir den Mietern hier zumuten“, sagt er. „Aber es muss sein, die alten Leitungen müssen raus und die alte Einrohrheizung hatte so schlechte Energieeffizienzwerte, dass wir sie auch austauschen müssen“, sagt er. Bei einer Einrohrheizung wird das heiße Wasser in das Obergeschoss gepumpt und läuft Heizkörper für Heizkörper wieder nach unten. „In der oberen Wohnung hat es noch eine Vorlauftemperatur von 85 Grad, in der Wohnung darunter sind es nur noch 80 Grad, darunter 75 Grad und so weiter. Um den Temperaturabfall auszugleichen und in allen Wohnungen die gleiche Heizleistung zu gewährleisten, werden die Heizkörper von Stockwerk zu Stockwerk immer größer. Der entscheidende Nachteil ist jedoch, dass die Versorgungsleitung immer Wärme abgibt, egal ob der Heizkörper zugedreht ist oder nicht. Das kann für jemanden, der es im Schlafzimmer gern kalt hat, schon sehr störend sein, abgesehen von der damit verbundenen Energieverschwendung“, erläutert Thomas Büsching. Bei den moderneren Zweirohrheizungen, bei der es ein Zuleitungsrohr und ein Ableitungsrohr gibt, bleiben auch die Rohre in den Wohnungen kalt, wenn die Heizung zu ist.
Wenn die WOBAG in anderen Häusern eine Strangsanierung durchgeführt hatte, womit der Austausch sämtlicher Versorgungsleitungen gemeint ist, mussten die Handwerke nur in Bad und Küche, wo die Stränge entlanglaufen. Bei einer gleichzeitigen Strang- und Heizungssanierung geht es jedoch in alle Zimmer. Um die Belastung für die Mieter wenigstens zeitlich so gering wie möglich zu halten, hat die WOBAG sich einen genau ausgeklügelten Arbeitsablauf ersonnen. Während in einer Wohnung noch die alten Heizungen und Heizungsrohre aus den Wänden gerissen werden, werden in der anderen Wohnung schon die Löcher für die neuen Leitungen gebohrt, in der nächsten wiederum laufen schon die Putz- und Malerarbeiten, im Hausflur wiederum ziehen die Elektriker die neuen Leitungen hoch und klemmen sie an die Sicherungskästen an. Im Keller wickeln die Männer bereits die Isolierungen um die neuen Heizungsrohre. „Die Arbeiten gehen Hand in Hand. Ein Gewerk ist auf das andere abgestimmt, die Abläufe sind nahtlos, die Männer wissen, was zu tun ist. Und so schaffen wir es, dass die Arbeiten innerhalb einer Woche in einem Aufgang abgeschlossen sind“, versichert er. So geht es Aufgang für Aufgang. Und am Ende, wenn alle wieder weg sind, sieht es aus wie vorher. Nur dass alles neu ist. Und dass die Mieter es künftig auf ihrer Betriebskostenabrechnung sehen werden, dass sie jetzt günstiger heizen können.