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Wenn aus Nachbarn Freunde werden

1962 waren die Fritzes, Scholz‘, Gablenz‘, Plegars, Steinerts und all die anderen eingezogen, von denen einige nun schon nicht mehr leben. Sie alle waren gleichaltrig, Anfang 20, sie alle zogen fast gleichzeitig ein, im Dezember 1962. Einige Frauen waren hochschwanger damals, andere hatten schon Kinder, weitere Kinder wurden später geboren. Sie kamen aus Arbeiterunterkünften, in denen sie sehnsuchtsvoll auf ihre erste eigene Wohnung warteten, die sie in den Bautaktstraßen der Schwedter Innenstadt neben den Ruinen langsam heranwachsen sahen. Andere kamen aus den Dörfern der Umgebung, in denen sie oft noch unter dem elterlichen Dach lebten und sich ebenfalls auf die vier eigenen Wände freuten.

Hier, in der Oderstraße sahen sie ihre Kinder groß werden, hier feierten sie ihre Partys. Hier lachten, liebten, weinten, feierten und trauerten sie. Hier schlossen sie untereinander lebenslange Freundschaften. Und hier begegneten sie alten Freunden aus ihren Kindertagen wieder. Elke Gablenz hatte eine Kinderfreundin, mit der sie im Winter gemeinsam mit dem Schlitten auf dem Hügel bei Herrenhof rodelte. Später verloren sie sich aus den Augen. „Bis ich meiner neuen Nachbarin begegnete, die in die Wohnung gegenüber eingezogen war. Es war meine Rodelfreundin Liselotte Scholz“, erinnert sich Elke Gablenz. Ende der 60er Jahre wurden von der AWG Hausgemeinschaften ausgezeichnet. Wir waren dabei! Zur Verschönerung des Hauseinganges wurden von der Prämie vier Heckengehölze gekauft, die heute noch stehen. Waren es solche Fügungen, war es der von einer unglaublichen Aufbruchstimmung beseelte Zeitgeist dieser Jahre, oder war es eine Mischung aus vielen Bedingungen? Egal.
Fakt ist, dass die Gemeinschaft der Oderstraße 34 zusammenwuchs wie Pech und Schwefel. Die regelmäßigen Feiern, zu deren Zweck der Fahrradkeller flugs in eine Partyzone umgewandelt wurde, waren legendär. Jeder brachte etwas mit, eine Familie kümmerte sich um den Kuchen, eine andere um die Getränke, wieder eine andere um die Musik und noch eine andere um die Dekoration.

„Und dann haben wir bis in die Nacht hinein gesungen“,

sagt Helga Plegar. Einmal im Jahr trafen sie sich zum Gartenfest bei Fritzes, manchmal ging es danach mit dem Fahrrad in Schlangenlinie wieder zurück. Unter heftigem Geklingel der Fahrradklingeln natürlich, damit alle im Kiez hören konnten, dass die aus der Oderstraße 34 wieder auf dem Weg nach Hause waren. Die Geburtstage wurden gemeinsam gefeiert und so ist es bis heute geblieben. Sicher ging es über viele Jahre auch etwas beengter zu, wenn die Kinder kamen. Aber seitdem sie aus dem Haus sind, ist wieder ausreichend Platz für die inzwischen alt gewordenen Bewohner.
In ihren Erinnerungen ist sie noch lebendig, die Zeit der Trümmerlandschaften in Schwedt. Sie haben erlebt, wie das Schloss gleich nebenan gesprengt wurde, sie haben die Stadt wachsen sehen. In ihren Erinnerungen ist noch lebendig, wie sie in der ersten Zeit über rutschige Bretter zu ihren Hauseingängen balancieren mussten, um nicht im Schlamm zu versinken. Ehe die Außenanlagen fertig wurden, dauerte es. „Überall waren offene Gräben für die Abflussrohre. Aber wir hatten bei alledem schon einen Wäscheständer vor dem Haus. Das war was“ erinnert sich Erika Steinert.
Sie haben hier die Wende erlebt, Fritze erinnert sich an die Zeit als eine, „in der erst einmal jeder mit sich selbst zu
tun hatte.“ Doch wo anderswo funktionierende Gemeinschaften auseinanderbrachen, war das in der Oderstraße 34 nicht der Fall.

„Wir fanden wieder zueinander. Warum das so war, weiß ich nicht,

ich weiß nur, dass das Gemeinschaftsgefühl stärker war“,

versichert Klaus Dieter Fritze. Und so ist es bis heute geblieben. Die Geburtstage werden immer noch gemeinsam gefeiert. Zwar reicht mittlerweile eine Flasche Sekt für alle, wo es früher viele waren, aber die Stimmung ist super. Sie kümmern sich umeinander und sie geben Acht, wie es den anderen geht. Die örtliche Zeitung, von einer Familie abonniert, kreist durch das Haus. „Und wenn sie am Abend noch vor meiner Wohnungstür liegt, weil ich nicht daran gedacht habe, sie reinzuholen, dann klingelt irgendwann der Nachbar und fragt, ob alles in Ordnung ist bei mir“, sagt Erika Steinert.
Erika Steinert ist es auch, die eine kleine Blumenrabatte an der Hausecke pflegt. Sie hat sie so angelegt, dass zu jeder Jahreszeit irgendeine Blume blüht. Mittlerweile ist es mühsam geworden für sie, die Treppen herunterzusteigen, der Weg braucht längere Zeit. Und auch das Unkrautjäten geht nicht mehr so leicht von der Hand. Doch sie geht diesen Weg noch regelmäßig, das ist ihr die Blumenrabatte wert. Und die Forsythien, die im Frühjahr vor dem Haus so wunderschön gelb blühen und die sie danach stutzt, damit sie nicht höher wachsen. „Wir bleiben alle hier“, sagt ihre Freundin Helga Plegar. Es ist unser Zuhause.
Positiv erwähnen möchten wir die Arbeit unseres Hausmeisters Marko Driese, der immer ein offenes Ohr für kleine und große Probleme hat.

Text: Matthias Bruck

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