„Als wäre man bei uns zuhause“
WOBAG nimmt Besucher der Festwoche mit auf eine Zeitreise
Das Gerät, einer großen Schüssel nicht unähnlich, wäre da nicht der Gummischlauch unten, ruft bei jüngeren Besuchern der Ausstellung „WOBAG (er)leben – eine Zeitreise“ im Mehrgenerationenhaus im Lindenquartier Ratlosigkeit hervor. Ein Entsafter? Nein, klärt Erwin Kibler auf, der in der nachgestellten DDR-Küche für Fragen zur Verfügung steht: eine separate Wäscheschleuder. Denn die Waschmaschine WM 66 darunter besaß keine Trommel. Dafür konnte man ihre Kochstufe auch zum Einwecken von Obst verwenden. An die Schleuder kann sich Christel Seehagen, die mit ihrer Freundin Elfride Großmann die Ausstellung besuchte, noch gut erinnern. „Die hatte ein Luftpolster untendrunter, und wenn sie richtig loslegte, musste man sie auf den Tisch runterdrücken, damit sie nicht herumwanderte.“ Elfride Großmann ergänzte: „Wer damit nicht aufgewachsen ist, kennt das gar nicht mehr.“
Die Schränke aus den 70ern – die Spüle sogar aus den 60ern – sehen noch immer gut aus. „Früher hat der Möbelmaler Herr Anklam die für uns aufbereitet“, erzählt Erwin Kibler, der einst die Eigenleistung in der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft koordiniert hat und heute die Regieabteilung leitet. „Bei den innenliegenden Küchen haben sich die Leute sogar beschwert über zu viel Platz, sie wussten gar nicht, was sie alles reintun sollten in die Schränke.“
Küche, Wohnzimmer, Kino – und eine Schwalbe
Jahrelang hat die WOBAG bereits bei Wohnungsauflösungen alte Möbel gesammelt, um zu ihrer Jubiläumswoche im Mehrgenerationenhaus auf zwei
Stockwerken eine komplette Einrichtung präsentieren zu können: Küche, Wohnzimmer, Kinderzimmer, dazu alte Küchengeräte, Radio, Sandmannpuppen, die größer sind als die Kinder, die mit ihnen spielen, ein Puppenherd, auf dem man wirklich kochen konnte. Vom Schallplattenspieler tönte Karel Gott und die fast hypnotisch-bunte Tapete machte den Eindruck perfekt, ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit gereist zu sein. Im Seminarraum war ein Kino aufgebaut, komplett mit Popcornmaschine, das den ganzen Nachmittag Zeichentrickfilme von Wolf und Hase zeigte, das russische Äquivalent zu Tom und Jerry. Die wenigen Sätze, die die beiden Figuren redeten, mussten die Kinder nicht verstehen, Lachen über den Slapstick war international.
Erhard Gentes, WOBAG-Mitarbeiter und Mitglied des Vereins Oldtimer & Technik e.V. Ost-Uckermark, hatte alte Fahrräder und eine Schwalbe zur Verfügung gestellt und beobachtete gelassen, wenn Besucher darauf herumturnten. „Die sind unkaputtbar.“ Tachostand 105.458 Kilometer, aber seit Anfang der 80er nur einmal einen neuen Anstrich für den blauen Roller. Sich selbst hatte der ehemalige AWG-Handwerker in seinen alten, blauen Kittel geworfen und erzählte: „Mit der Schwalbe sind wir durch die Stadt gebraust, hintendran im Hänger die Waschbecken zum Installieren – und auch mal umgefallen in der Kurve.“
Liebe zum Detail macht Ausstellung rund
Alte Werkzeuge, das Hausbuch vom Marchlewskiring 18 – darin hat sich Thomas Büsching aus Halle, heute in der WOBAG zuständig für die technische
Gebäudeausrüstung, im Februar 1984 eingetragen, als er mit seiner Familie einzog. Solche kleinen Schätze machten die Ausstellung rund. In einem Gratulationsbrief zum 30-jährigen Bestehen der AWG vom 10. Februar 1989 lobt der VEB Industrieprojektierung Schwedt den „Genossen Barsch“: „Sie
(…) tragen eine hohe Verantwortung für das Wohlergehen unserer Bürger, indem sie [sich] dafür sorgen, dass sie warm und trocken leben können.“
Ein paar Stücke der Einrichtung kennt Jennifer Großmann noch von ihren Großeltern, aber bei anderen steht sie absolut ratlos da. Sie ist Jahrgang
1989. „Es ist wirklich interessant, diese Entwicklung zu sehen“ meint sie. Währenddessen schiebt ihre kleine Tochter ein Püppchen auf dem Wagen spazieren – manche Dinge sind eben zeitlos.
Damals wie heute: Genossenschaft bietet, was gebraucht wird
„Als wäre man bei uns zuhause“, schwärmte Christel Seehagen. Der ausklappbare Brotkasten in der Küche diente damals als Kindertischchen und einmal
verschmierte ihre kleine Tochter den kompletten Inhalt des Schmalztopfes quer über die Einrichtung. „Einige dieser Sachen habe ich im Schrank“,
erzählt Elfride Großmann. „Den Mixer benutze ich heute noch.“ Beide haben Anfang der 60er geheiratet, in Schwedt Arbeit und schließlich eine Wohnung gefunden. „Das sind schöne Erinnerungen“, sagt Christel Seehagen strahlend. „Wir waren jung und haben in solchen Wohnungen unsere Kinder großgezogen.“
Heute wohnen die beiden Rentnerinnen gleich hinter dem Mehrgenerationenhaus im Lindenquartier. „Wir hatten ein eigenes Haus, aber als wir gebrechlich wurden, haben wir uns gesagt: Die AWG war doch gut“, so Christel Seehagen. „Jetzt haben wir es wunderschön, innen und außen.“ Altersgerechtes Wohnen war auch für Elfride Großmann der Grund für den Umzug. „Die WOBAG hat uns sehr geholfen und Nachbarn sagten: Ihr wärt ganz schön doof, wenn ihr nicht herkommt.“
Andrea Weil