Jahresrückblick
Nach den krisenhaften Corona-Jahren 2020 und 2021 liegt ein weiteres Krisenjahr, geprägt von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der grassierenden Inflation, hinter der Schwedter Wohnungsbaugenossenschaft (WOBAG). Wir sprachen mit dem Genossenschaftsvorstand Matthias Stammert darüber, wie die Genossenschaft das zurückliegende Jahr gemeistert hat.
Matthias Bruck: Herr Stammert, nach Corona nun der Ukraine-Krieg, die Inflation und die drohende Versorgungsunsicherheit mit ausreichend Energie. Als wir im Frühjahr darüber sprachen, klangen Sie wenig hoffnungsvoll. Wie beurteilen Sie das Jahr 2022 zurückblickend?
Matthias Stammert: Ich kann es in wenigen Worten zusammenfassen: Wir haben das Schiff WOBAG sicher durch die Krise gesteuert und sind bislang mit einigen kleinen blauen Beulen davongekommen. Die hohen Preissteigerungen, ein überhitzter Baumarkt und eine allgemeine Zukunftsangst haben zu Jahresbeginn ein düsteres Szenario an den Himmel gemalt. Hinzu kamen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und die nachfolgenden Sanktionen, zu denen auch der Ölstopp gehört. Schließlich ist gerade Schwedt mit seiner bislang vom russischen Öl abhängigen Raffinerie besonders betroffen. Es hat sich aber herausgestellt, dass wir auch unter diesen schwierigen Bedingungen gut wirtschaften und Kurs halten konnten, ohne, dass es gravierende Verwerfungen gegeben hätte.
Matthias Bruck: Wie ist Ihnen das gelungen?
Matthias Stammert: Wir hatten zwar mit einer engen Liquidität zu kämpfen, konnten aber alle geplanten Baumaßnahmen, wie beispielsweise den Umbau und die Sanierung der Kastanienhöfe, fortführen. Das wurde unter anderem deshalb möglich, weil wir jede Preiserhöhung, mit denen uns die Baufirmen konfrontiert haben, konsequent ausdiskutiert haben. Mondpreise, wie einige Firmen sie uns anbieten wollten, haben wir nicht akzeptiert. Wir haben darauf bestanden, dass Preissteigerungen nachvollziehbar begründet werden. So sind die Kostensteigerungen im Rahmen geblieben. Dazu kommt, dass wir in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und rechtzeitig auf die energetische Sanierung unseres Wohnungsbestandes gesetzt haben, sodass unser Energieverbrauch gesenkt werden konnte. Das kommt uns angesichts explodierender Energiepreise jetzt zugute. Auch die Angst, uns könnte die Energie ausgehen, war offensichtlich unbegründet.
Matthias Bruck: Inwiefern?
Matthias Stammert: Die Stadtwerke Schwedt, die uns beliefern, beziehen einen Großteil ihrer Energie aus regenerativen Quellen. Das stimmt uns optimistisch. Auch gab es im September einen kurzfristigen Ausfall des PCK-Kraftwerkes, dass uns mit Fernwärme versorgt. Daraufhin wurde das Reservekraftwerk der Stadtwerke in Betrieb gesetzt. Dabei hat sich gezeigt, dass es in der Lage ist, die gesamte Stadt Schwedt mit ausreichend Wärmeenergie zu versorgen, bis zu Außentemperaturen von minus 16 Grad.
Die Befürchtung, die Stromnetze könnten zusammenbrechen, weil alle Schwedterinnen und Schwedter plötzlich beginnen, mit Ölradiatoren zu heizen, war also offensichtlich auch unbegründet. Wir haben allen Grund für einen vorsichtigen Optimismus, dass wir auch die Herausforderungen, die uns die Zukunft bringt, gut meistern werden.
Matthias Bruck: Welche Herausforderungen könnten das denn sein?
Matthias Stammert: Das Stichwort heißt Klimawandel. Die Aufgabe, die vor uns liegt, heißt, unsere Energieversorgung komplett auf erneuerbare und damit kohlendioxidfreie Energiequellen umzustellen. Das können wir nicht allein leisten, aber wir können unseren Teil dazu tun. Es wird Jahre dauern, aber wir werden es schaffen. Und natürlich sollen unsere lange geplanten Projekte auch unter den gegenwärtigen krisenhaften Bedingungen fortgesetzt werden. Wir haben einen städtebaulichen Wettbewerb für die Umgestaltung des Robert-Koch-Kiezes gestartet und sind auf die Architektenentwürfe gespannt. Es geht bei den Kastanienhöfen weiter. Ich denke, dass wir im kommenden Herbst mit dem Abriss der beiden nicht mehr bewohnten Plattenbauten in den Kastanienhöfen starten können. Auch hier liegen wir trotz aller Schwierigkeiten voll im Plan.
Matthias Bruck: Während der Corona-Jahre ist das soziale genossenschaftliche Leben bei Ihnen fast komplett zum Erliegen gekommen. Haben Sie die Lockerungen der Corona-Bestimmungen in diesem Jahr genutzt, um trotz aller Krisen das Verpasste nachzuholen?
Matthias Stammert: Selbstverständlich. Wir wollten beispielsweise schon zu Corona-Zeiten den Abschluss der Quartierssanierung im Talsand-Kiez mit einem großen Lichterfest feiern. Das haben wir in diesem Jahr im März nachgeholt. Zwei Tage lang dauerte der Aufbau des Festes, bei dem wir die Häuserfassaden angestrahlt und den Innenhof des Suttner-Kiezes in einen Festplatz verwandelt haben. Der Zuspruch der Gäste war enorm. Die Freude, sich endlich wieder begegnen und gemeinsam feiern zu können, lag förmlich in der Luft. Da war es wieder da, was das Genossenschaftsleben auch ausmacht: soziale Kontakte pflegen, gemeinsame Erlebnisse schaffen, sich füreinander interessieren, eine funktionierende Gemeinschaft bilden. Das hat mich sehr berührt.
Text: Matthias Bruck